Zum Hauptinhalt springen
Hermogenes

Stil-Lehre

Titelinformation "Stil-Lehre"

Bereits im Alter von 15 Jahren war Hermogenes von Tarsos als Redner so berühmt, dass der römische Kaiser Mark Aurel diesen Wunderknaben persönlich kennenlernen wollte. Diese Begegnung im Jahr 175/6 n.Chr. ergibt eine sichere Datierung des Autors, der später freilich nicht durch Reden, sondern als Verfasser rhetorischer Fachliteratur bekannt wurde. Das Suda-Lexikon nennt im 10. Jahrhundert einen "Rhetorik-Lehrgang, den alle heranziehen", als sein Werk. Erstmals liegt jetzt die "Stil-Lehre" des Hermogenes in deutscher Übersetzung vor, ein Werk von kanonischer Bedeutung, das sich ausdrücklich an Platons Ideenlehre anlehnt. Sieben "Stilqualitäten", die sogenannten Ideen, und neun "Komponenten" erzeugen Texte bestimmter Art ? ein System, das gleichermaßen dem Produzieren wie der Beurteilung von Texten nützt. Inhaltlicher Schwerpunkt sind natürlich Reden, und als Muster-Autor wird von Hermogenes immer wieder der geniale Demosthenes herangezogen. Aber auch Homer, Herodot, Platon, Thukydides, Isokrates, Lysias oder Xenophon, Schulautoren damals wie heute, werden ausführlich von Hermogenes zitiert und besprochen. Hermogenes´ Bedeutung spiegelt sich in der schnell einsetzenden, umfangreichen und lange anhaltenden Rezeption wider. Von dem Neuplatoniker Syrianos aus dem 5. Jahrhundert stammt der erste erhaltene Kommentar. Dank der platonischen Tradition überlebt Hermogenes die "dunklen" Jahrhunderte, wird von byzantinischen Gelehrten gelesen und vielfältig erklärt. Im 16. Jahrhundert, der Renaissancezeit, fand er dann europaweit neues Interesse, Textausgaben sowie Übersetzungen ins Lateinische und in die Landessprachen folgten nach 1508 dicht aufeinander. Sein Einfluss auf die Literatur (z.B. Tasso, Milton, Ben Jonson), auf die Poetik (z.B. Scaliger, Ariost), auf die Universitäten und nicht zuletzt Schulen (z.B. Lehrpläne von Oxford und Cambridge) ist bedeutend. Ziel dieser deutschen Übersetzung ist es, möglichst viele der behandelten sprachlichen Elemente verständlich zu machen, z.B. die Metrik oder den Wortklang eines Zitats äquivalent zu übertragen und nicht erst mit einer Anmerkung nachträglich zu erläutern. Was schon den antiken Kommentatoren auffiel: Sein Text war kein Lehrbuch für Anfänger, sondern eine Art Leitfaden für Fachleute. Zwischen den Hörern von damals und den Lesern von heute liegen nicht nur fast 2000 Jahre, sondern auch ein ganz unterschiedlicher Wissensstand. Mit einer umfassenden Einführung und mit Anmerkungen soll dieser Abstand überbrückt werden. Zwei Register erschließen den Band, erleichtern vor allem auch den punktuellen Zugang: ein Verzeichnis der Namen und der Textzitate und ein Register der rhetorischen Elemente, auf denen Hermogenes seine Stil-Lehre aufgebaut hat.