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Steffen Patzold

Presbyter

Moral, Mobilität und die Kirchenorganisation im Karolingerreich

Titelinformation "Presbyter"

Das Leben der Landpfarrer im Frühmittelalter

Wie lebte und arbeitete der Priester an einer kleinen, gewöhnlichen Kirche auf dem Land in der Karolingerzeit? Wie wurden überhaupt die einfachen Gemeinden in Lateineuropa jenseits der prestigeträchtigen Bischofssitze kirchlich organisiert und betreut? Und welche Faktoren haben diese kirchliche Strukturierung des Landes vorangetrieben?
Die Geschichtswissenschaft hat diese Prozesse seit dem späten 19. Jahrhundert mit dem Modell der sogenannten »Eigenkirchen« erklärt: Demnach errichteten grundbesitzende Laien solche Eigenkirchen gleichsam als Kapitalanlage, um mit ihnen regelmäßige Einkünfte zu erzielen – vor allem in Form von Zehnten und Oblationen der Gläubigen. Erst in der Gregorianischen Reform des 11. Jahrhunderts seien Eigenkirchen als Institution verurteilt und der Zugriff von Laien auf Kirchen durch das Patronat neu geregelt worden. Das Buch zeigt, wie sehr dieses Modell Vorannahmen des 19. Jahrhunderts verhaftet ist, und es schlägt ein anderes Erklärungsmodell vor: Dieses Modell nimmt Priester und ihre Gemeinden als Akteure mit eigenen Handlungsspielräumen ernst und sieht im Streben nach moralischer Besserung und nach Kontrolle von Mobilität wesentliche Faktoren der kirchlichen Strukturierung.

Steffen Patzold (Jg. 1972) ist Professor für Mittelalterliche Geschichte und Historische Hilfswissenschaften an der Universität Tübingen.

"Steffen Patzold ist mit seinem Buch weit mehr als nur die klar begründete und differenzierte Dekonstruktion der Stutz’schen Eigenkirche gelungen. Er bietet ein anschaulich und anregend geschriebenes klug argumentierendes Modell zur Erklärung der frühmittelalterlichen Kirchenorganisation, […]"
Aus: Historische Zeitschrift, Band 313/1 (2021)

Subskriptionspreis für Bezieher der Reihe und für Vorbestellungen € 178,–, danach € 196,–

Inhalt

Vorwort

I. Einleitung

II. Die Lehre von der Eigenkirche
1. Ulrich Stutz’ Thesen
2. Die Rezeption der Stutz’schen Lehre in der Forschung
3. Die Zeitgebundenheit der Lehre: Unterscheidungen des 19. Jahrhunderts

III. Rahmenbedingungen: Correctio und Kirchenorganisation
1. Correctio als Ziel: Wissen, Handeln, Gnade und Macht
2. Ein neuer Typus eines Geistlichen: der lokale Priester
3. Die » Verortung « von Verantwortlichkeit

IV. Eine Welt von Ungleichen: Lokale Priester und ihre Kirchen
1. Zwischen Weihegrad und Amt: Wirkungsbereiche von Priestern
2. Arme und Reiche: Besitz und Ausstattung lokaler Kirchen
3. Priester als Mitglieder einer lokalen Elite
a. Erlebald von Eppelheim
b. Ado von Dauendorf
4. Wege ins Amt: Eigeninitiative und Handlungsspielräume von Priestern
5. Zahlen und Größenordnungen
6. Fazit

V. Rechtsgrundlagen
1. Pippin I
2. Karl der Große
a. Regelungen zu Kirchen im Besitz von Laien
b. Weitere Regelungen zu Priestern und Kirchen
c. Fazit
3. Ludwig der Fromme
a. Das sogenannte › Capitulare ecclestiasticum ‹ von 818/19
b. Die römische Synode von 826
c. Das › Capitulare Wormatiense ‹ von 829
d. Fazit
4. Die Synoden von Toulouse 844 und Valence 855
5. Hinkmars › De ecclesiis et capellis ‹
6. Die sogenannte › Sammlung von Laon ‹
7. Das Sendhandbuch Reginos von Prüm
8. Fazit

VI. Der Kirchenzehnt
1. Typen von Zehnten
2. Eine Norm ohne Praxis ?
3. Wer profitierte vom allgemeinen Kirchenzehnten ?
a. Normen
b. Praxis
4. Die Folgen des Zehnten
5. Fazit

VII. Ausbildung und Wissen lokaler Priester
1. Institutionen und Ausbildungswege
2. Normvorstellungen: Was ein Priester wissen sollte
3. Bücher an lokalen Kirchen und im Besitz von Priestern
4. Erhaltene Exemplare von Priesterbüchern
a. Überblick: Familienähnlichkeit als Prinzip
b. Laon, Bibliothèque Municipale, 288
c. Paris, Bibliothèque nationale de France, lat. 1012
d. Orléans, Médiathèque, 116 und Florenz, BML, Ashburnham 82
e. Einblicke in weitere Beispiele
5. Fazit

VIII. Priester und ihre Familien
1. Beziehungen zu Frauen
2. Andere Verwandte
3. Die Weitergabe von Besitz an Verwandte
4. Fazit

IX. Priester in ihren weiteren sozialen Beziehungen
1. Notwendige Nähe und gebotene Distanz: Priester und ihre Nachbarn
2. Horizontale Bindungen: societates von Priestern
3. Priester und ihre seniores
4. Priester und ihr Diözesanbischof
5. Fazit

X. Zusammenfassung und Folgerungen
1. Zur Kritik der Eigenkirchenlehre
2. Eine alternative Geschichte
3. Folgerungen
a. Die Reichweite der Correctio
b. Zur Gregorianischen Reform
c. Zur Frühgeschichte der Pfarrei

XI. Anhang

XII. Verzeichnisse
1. Abkürzungen
2. Quellen
Handschriften
Gedruckte Quellen
3. Literatur

XIII. Register
1. Personen
2. Orte