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Libanios

Musterreden

Titelinformation "Musterreden"

Eingeleitet, aus dem Altgriechischen ins Deutsche übersetzt und kommentiert von Ulrich Lempp. Libanios (314 - ca. 393 n. Chr.) ist der produktivste und am besten überlieferte altgriechische Prosa-Autor und Sophist seiner Zeit. Die 63 Reden und die mehr als 1500 Briefe stellen wichtige Quellen dar für die Krisen des historisch und theologisch so bedeutsamen 4. Jahrhunderts. So sind und waren sie immer im Blickpunkt der Forschung. Anders ist der Befund bei den 51 Musterreden (declamationes) des Libanios. Sie sind wichtig als Textzeugnisse für die Qualität, die Bedeutung und die Reichweite seines Rhetorikunterrichts; der Autor hat dies selbst dokumentiert, und die Wirkungsgeschichte hat diese Einschätzung bestätigt. Freilich: Anders als Libanios' Reden stehen seine Musterreden der Zeit ihrer Entstehung und sogar der Biographie ihres Autors auffallend fern. Im Rhetorik-Lehrbetrieb des 4. Jahrhunderts waren offenbar Personen, Themen und literarische Muster der klassischen griechischen Zeit noch lebendig, selbst nach 700 und mehr Jahren; auch die Sprache orientiert sich an den Klassikern der Vergangenheit, vor allem an Demosthenes. Für diesen Übersetzungsband wurden 15 Musterreden des Rhetoriklehrers (etwa in Athen, Konstantinopel und Antiochia) ausgewählt. Es sind (in der maßgeblichen Ausgabe von R. Förster) die Musterreden 1, 5, 6, 12, 25-28, 30-32, 39, 41, 42 und 46. Bei ihnen ist die Echtheit unbestritten, zudem vermitteln sie einen Eindruck von der Breite des Themenspektrums und vom Reichtum der rhetorischen Gestaltungsmittel; ihre Wirkungsgeschichte war ein weiterer Gesichtspunkt bei der Auswahl. Ein Typ der Musterreden hat historisch bzw. literarisch beglaubigte Personen und Redesituationen zur Grundlage: Sokrates, Achilleus, Orestes oder der Menschenhasser Timon von Athen sind die Hauptfiguren; weil aber die Musterreden nach dem Vorbild der klassischen Rhetorik durchweg agonal angelegt sind, finden sich in den Texten jeweils auch die Gegner, also Sokrates' Ankläger, Odysseus, Klytaimnestra mit Aigisthos und Alkibiades. Und natürlich reiht sich der belesene Autor mit seiner eigenen Stimme bewusst ein in die literarische Vielstimmigkeit, die lange vor ihm begonnen hat (und die sich nach ihm dann weiter fortsetzt - bis in unsere Zeit). Wichtig ist ein Funktionswechsel innerhalb der Rhetorik: Anders als der «echte» Redner (und der Redenschreiber) der klassischen Zeit ist unser Autor nicht mehr auf das Ziel fixiert, ein Gremium argumentativ zu überzeugen, auch Sympathie zu gewinnen und dadurch in der Debatte zu siegen. In Musterreden hat der Autor vielmehr die Freiheit, auch «Verliererreden» zu gestalten. Dies gilt insbesondere für den zweiten Typ der Musterreden: Geizige, Neidische, unsympathische Väter, Parasiten und ähnliche Figuren, die auch aus der «Neuen» Komödie der Griechen bekannt sind, treten, oft in einem juristischen, aber wohl erfundenen Kontext, als Redner auf und offenbaren dabei ihren häufig bizarren Charakter. Eine umfassende Einführung informiert über den Autor und seine Zeit sowie über die Gattung und Eigenart der Musterreden; Beobachtungen zur rhetorischen Gestaltung ergänzen das Gattungsprofil. Schließlich geht es um die Frage, wie die Musterreden in das bisherige Libanios-Bild passen bzw. es ergänzen. Anmerkungen zur Übersetzung liefern notwendige Sachinformationen sowie sprachliches und literarisches Hintergrundwissen. Ein Register erschließt die Musterreden und ermöglicht den punktuellen Zugriff. Über den Autor Libanios ist bei Hiersemann erschienen: Heinz-Günther Nesselrath: Libanios Zeuge einer schwindenden Welt 2012. VIII, 166 Seiten. Fadengeheftete Broschur. ISBN 978-2-7772-1208-1 (Standorte in Antike und Christentum 4).