»Hier stehe ich!«
Luther in Worms – Ereignis, mediale Inszenierung, MythosEAN: 9783777221014
Untertitel: Luther in Worms – Ereignis, mediale Inszenierung, Mythos
Reihe: Zeitenspiegel Essay
Band-Nr.: 1
Seiten: 174
Erscheinungsjahr: 2021
Erscheinungsdatum: 22.02.2021
Einband: Fadengeheftete Klappenbroschur
Ladenpreis EUR(D): 28,00
Schlagworte: Protestantische Identität, Gewissen, Gewissensfreiheit, Protest, Reformationsjubiläum, Widerrufsverweigerung
Titelinformation "»Hier stehe ich!«"
Der Luther-Moment – unter der Lupe
„Hier stehe ich, ich kann nicht anders – Gott helfe mir Amen!“ Bekennermut vor dem Kaiser, der den Erfolg der ganzen Reformation besiegelte, das ist wohl der Luthermythos überhaupt, der folgenreichste, der entscheidende Gründungsmythos protestantischer Identität. Aber eben doch ein Mythos: Denn Luther hat das 1521 auf dem Reichstag in Worms als Abschluss seiner Rede nicht gesagt, jedenfalls nicht so. Was hat er überhaupt genau gesagt, was hat er gemeint, ab wann und von wem wurde die pathetische Formel medial so weit verbreitet?
Thomas Kaufmann nimmt in einem virtuosen, ebenso mikrogeschichtlich detailverliebten wie weitgespannten Essay diesen für die deutsche Geistesgeschichte enorm prägenden Mythos auseinander und legt dessen historischen Kern erstmals richtig frei. Die Szenerie des Wormser Reichstags mit ihrer personellen und machtpolitischen Ausgangskonstellationen wird ebenso anschaulich aufgerufen wie Luthers lange Reise von Wittenberg in die Stadt am Rhein, wo (so sah Luther das) Teufel soviele wie Dachziegel auf ihn lauerten. In der minutiösen Interpretation der Quellen zu Luthers Erscheinen auf dem Reichstag am 17. und 18. April erreicht Kaufmann eine unerhörte Dichte und Genauigkeit, die zu verblüffenden neuen Einsichten in den Ablauf der Ereignisse und Luthers emotionale Situation in den zwei entscheidenden Tagen und der Nacht dazwischen führt.
Von da aus erschließt Thomas Kaufmann die lange Geschichte der Wirkungen und Folgen von Luthers Schlussworten neu, der Zitationen und Berufungen auf den gefeierten ‚Luther-Moment‘, der in der Tat von Anfang an auf Wirkung und mythische Überhöhung hin ‚gemacht‘ worden war. Das heroische Vorbild, die sich auf ihr Gewissen berufende, den Widerruf standhaft verweigernde Ikone Luther bot Widerständlern gegen das „Dritte Reich“, US-amerikanischen Bürgerrechtlern, aber auch strammen Nationalisten, Kirchenführerinnen und -führern, Politikern oder moralisch aktivierten Christen- und Gewissensmenschen in NGOs unserer Tage eine Identifikationsfigur. Was wäre aber, wenn das Ich, das da stand und steht, unsicher und brüchig erschiene? Wenn zwar große Männer Geschichte machen, aber die Geschichte auch immer über sie hinaus und hinweg geht?
Thomas Kaufmann (* 1962) ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Göttingen und international einer der bedeutendsten Reformationshistoriker. Im Jahr 2020 erhielt er den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis und wurde Corresponding Fellow der British Academy.
Inhalt
I. »Hier stehe ich« – einleitende Bemerkungen
II. Zur Vorgeschichte von Luthers Verhör vor »Kaiser und Reich« in Worms
1. Publizistische Rahmenbedingungen
2. Kaiser Karl V. im Lichte der Publizistik
3. Diplomatisches Ringen um die Vorladung des Ketzers
4. Stimmungen
III. Luther in Worms
1. Hinreise und Ankunft
2. Das Ereignis des 17. und 18. April
3. Nachverhandlungen und Abreise, Wormser Edikt
4. Luthers Rückblicke auf Worms
IV. Die Publizistik des Wormser Reichstages und die Entstehung des Worms-Mythos
1. Die frühesten Drucke zu »Luther in Worms«
2. »Luther in Worms« im späteren 16. Jahrhundert
V. Zur Rezeptionsgeschichte des Worms-Mythos
1. Einige Schlaglichter auf das 17. und 18. Jahrhundert
2. Verstreutes zum 19. und 20. Jahrhundert
VI. Jenseits von »bekennen und gewinnen«
Abkürzungen, Zitierweise
Anmerkungen
Register