Der ausgekehrte politische Feuermäuerkehrer
1682EAN: 9783777296050
Herausgegeben von: Gerhard Dünnhaupt
Untertitel: 1682
Reihe: Rarissima litterarum
Band-Nr.: 5
Seiten: X, 145
Erscheinungsjahr: 1996
Einband: Leinen
Abbildungen: 1 Abb.
Ladenpreis EUR(D): 32,00
Schlagworte: Frau; Weissenfels /Allgemeines
Titelinformation "Der ausgekehrte politische Feuermäuerkehrer"
Der Roman der ausgekehrte politische Feuermäuerkehrer von 1682 entstammt einer literarischen Fehde, die den Weißenfelser Hof mehrere Jahre lang unterhielt. Obschon nicht restlos gesichert, ist die Autorschaft Johann Riemers mehr als wahrscheinlich. Der Titel richtet sich direkt gegen den im gleichen Jahr veröffentlichten Roman der politische Feuermäuerkehrer des vielgelesenen Weißenfelser Erfolgsautors Johann Beer. In genialer Umkehrung der hergebrachten pikaresk-satirischen Froschperspektive, also der Sicht von unten, hatte Beer im Feuermäuerkehrer die amüsante sozialkritische Perspektive des Kaminfegers adoptiert, der durch den Kamin Einblick von oben in die Häuser und Lebensweise der Gesellschaft gewinnt, um sie satirisch zu verspotten. Johann Beers aus der Weiberhächel (1680), dem Jungferhobel (1681), der Bestia...samt ihrer Tochter (1681) und anderen Schriften bekannter grob-unflätiger Antifeminismus manifestiert sich auch in den misogynistischen Äußerungen seines Schornsteinfegers.In seiner hier vorliegenden "politischen", d.h. höflichen oder manierlichen, Entgegnung tritt unser anonymer Autor unmittelbar gegen Beer auf, um eine Lanze für die holde Weiblichkeit zu brechen. Die Autorschaft Riemers liegt nahe - nicht allein, weil er dem kleinen Kreis lokaler Gegner Beers angehörte, sondern vor allem, weil er schon einmal in Vitia virtuosa sexus feminini (1680) zur Verteidigung des weiblichen Geschlechts auf den Plan getreten war. Auch zu diesem Werk Riemers erschien übrigens später eine Gegenschrift unter dem Titel Disputatio curiosa von der Jungfer (1683), die bezeichnender weise Beer zugeschrieben wird. Der hier vorliegende Text enthält offensichtlich zahlreiche bisher noch ungeklärte lokale Anspielungen, deren Aufhellung auch die Frage der Autorschaft erhärten dürfte. Am 11. Februar 1648 in Halle an der Saale geboren, studierte Johannes Riemer Theologie und Rhetorik in Jena in der Absicht, die akademische Laufbahn einzuschlagen. Schon in Jena hatte er mehrfach den Vorsitz bei akademischen Disputationen geführt, noch ehe er als Christian Weises Nachfolger auf den Lehrstuhl für Eloquenz am Weißenfelser Gymnasium Illustre berufen wurde. Hier veröffentlichte er im Nebenberuf zahlreiche politisch-satirische Schriften, meist unter Pseudonymen, um seiner akademischen Reputation nicht zu schaden. Lokale Mißhelligkeiten bewogen ihn aber schon 1687, eine Berufung als Pastor in Osterwieck zu akzeptieren. Ab 1691 wirkte er als evangelischer Superintendent in Hildesheim, um schließlich 1704 als Pastor primarius an die Hamburger Jacobikirche berufen zu werden. Am 9. September 1714 verstarb er in Hamburg. Im Kontrast zu seinem Weißenfelser Opponenten, dem lebensfrohen Musiker, der gegen Klatsch und Falschheit seiner Umgebung polterte, blieb Riemer zurückgezogen und seriös. In späteren Lebensjahren widmete er sich auch in seinen Publikationen nur noch den Belangen der lutherischen Kirche.
Von der Struktur her könnte man argumentieren, daß es sich hier überhaupt nicht um einen Roman im engeren Sinne handelt. Eher ließe sich wohl an eine Reihe von Geprächsspielen in der Manier von Pietro Bembos Asolani (1505) denken, wie sie in der Barockzeit durch Harsdörffer, Rist und andere wieder ins Leben gerufen wurden. In der Tat werden Harsdörffer und Rist im Text namentlich erwähnt. Als Vorwand dient ein Zufall, der dem jungen Edelmann Severin von Preis ein Exemplar von Beers grobschlächtigem Feuermäuerkehrer in die Hand spielt. Entrüstet regt er seinen Freundeskreis an, die durch Beers Buch aktualisierten ethisch-moralischen Fragen zu disputieren. In krassem Gegensatz zu Beers grobianischen Gestalten sind die hier auftretenden Damen gebildet, elegant, intelligent und verständnisvoll. Von ihren männlichen Partnern werden sie zuvorkommend behandelt, bewundert und als ebenbürtig respektiert. Auch das lange Streitgedicht einer der Damen fällt aus dem üblichen Rahmen.