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Thomas Brechenmacher

Das Ende der doppelten Schutzherrschaft

Der Heilige Stuhl und die Juden am Übergang zur Moderne (1775-1870)

Titelinformation "Das Ende der doppelten Schutzherrschaft"

Dieses Buch versteht sich als erste Überblicksdarstellung des Verhältnisses von römischem Papsttum und Juden im späten 18. und im 19. Jahrhundert. Die Beschäftigung mit seinem Gegenstand erwuchs aus der Überzeugung, dass ein sachgerechtes Urteil über die umstrittenen Fragen der Haltung des Vatikans gegenüber den Juden im 20. Jahrhundert ohne eine Kenntnis der älteren Geschichte nicht möglich ist.Den interpretatorischen Rahmen bildet das im ersten Kapitel entwickelte Konzept der doppelten Schutzherrschaft als der zentralen handlungsleitenden Maxime päpstlicher Judenpolitik seit der Spätantike. Nach innen, den eigenen christlichen wie jüdischen Untertanen gegenüber, wie nach außen, gegenüber Christen und Juden in aller Welt, begriffen es die Päpste einerseits als ihre Aufgabe, die Seelen der Christen vor dem vermeintlich verderblichen Einfluss der Juden zu schützen; andererseits sahen sie sich aber auch zum Schutzherrn der Juden vor vulgärtheologisch wie sozialökonomisch motivierten Übergriffen durch Christen berufen. Die theologische Begründung dieser Schutzherrschaft nach zwei Seiten leitete sich aus Heiliger Schrift und Exegese ab. Das ältere Volk des Bundes hatte den Messias nicht erkannt, hatte ihn - je nach exegetischer Tradition - sogar "ermordet" und war deshalb von Gott verstoßen worden; dessen ungeachtet waren die Juden aber eben doch das Volk des Alten Bundes, waren Wurzel und Zeuge gleichermaßen sowie obendrein das Volk, dem die "Heimkehr" verheißen war. Die Juden waren untrennbar mit dem Christentum verbunden: Ohne Judentum kein Christentum.Die dogmatische Ebene bleibt freilich stets von der Ebene der konkreten Politik des Heiligen Stuhls den Juden gegenüber zu scheiden. Eines der zentralen Anliegen des Autors besteht darin, zu zeigen, wie sich im Laufe der Neuzeit das faktische Handeln von den dogmatischen Vorgaben immer weiter entfernte. Bedingt durch die sich verschärfenden defensiven Lagen der römisch-katholischen Kirche im 16. und 18. Jahrhunderts erfuhr das alte Konzept der doppelten Schutzherrschaft eine zunehmend einseitige Gewichtung, trat die Aufgabe des "Schutzes der Christen vor den Juden" theoretisch in den Vordergrund, während sich praktisch, insbesondere jedoch seit dem beginnenden 19. Jahrhundert, eine Politik der De-facto-Toleranz durchsetzte. Das alte Prinzip der doppelten Schutzherrschaft verlor einer fundamental veränderten Welt gegenüber seine politikgestaltende Kraft. Zu einer grundsätzlichen Neujustierung des Verhältnisses zu Juden und Judentum fand der Heilige Stuhl jedoch bis zum Ende des Kirchestaates 1870 nicht.Anschließend an die Einleitung stellt der Band zunächst die Entwicklung des Modells der doppelten Schutzherrschaft in lehramtlichen Aussagen der Päpste und weiteren Schlüsseltexten zwischen Benedikt XIV. und Pius IX. dar, bevor es einer päpstlichen "Judenpolitik nach außen" an der Wende zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert nachspürt. Den Kern der Untersuchung bilden schließlich zwei umfangreiche, weit in die Frühe Neuzeit zurückgreifende Abhandlungen über die Grundlagen der politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Stellung der Juden im Kirchenstaat sowie über die innere Judenpolitik des Heiligen Stuhls zwischen Französischer Revolution und dem Ende des Kirchenstaates. Ein Blick auf das "Ende der doppelten Schutzherrschaft" in einer dogmatisch verhärteten, faktisch nicht mehr gestaltungsfähigen Aporie unter Papst Pius IX. schließt den Kreis, bevor das Schlußkapitel die Anfänge einer Neuorientierung vorstellt und die Perspektive ins 20. Jahrhundert, zu den Pontifikaten Pius' XI. und Pius' XII. und zum Zweiten Vaticanum, öffnet.Der neue Band der Reihe "Päpste und Papsttum" arbeitet zum ersten Mal mit den 1998 freigegebenen Quellen des Heiligen Offiziums und zieht darüber hinaus weiteres vatikanisches Quellenmaterial in großem Umfang heran. Insofern geht er nicht nur in seinem interpretatorischen Zugriff, sondern auch in der Masse der benutzten Quellen weit über bisherige Ansätze und Darstellungen hinaus.Ein zweigeteiltes Register Personen beziehungsweise Orte und Sachen erleichtert dem Benutzer die Arbeit mit dem Buch.